Jahresbericht 2015

Förderung der Ernährungssicherheit, Einkommensschaffung, von Gemeinde- und kooperativen Strukturen sowie Verbesserung des Umweltschutzes und der Naturkatastrophenprävention in 24 Gemeinden der Landkreise San Ramón und San Dionisio im Departement Matagalpa, Nicaragua

Das neue Projekt (Nachfolgeprojekt) mit der Partnerorganisation ODESAR mit Sitz in der Departementshauptstadt Matagalpa begann im September 2014 und hat eine Durchführungs-zeit bis zum 31. Dezember 2017.

Allgemeines Projektziel ist die Verbesserung der Lebensbedingungen kleinbäuerlicher Familien in o.g. 24 Landgemeinden. Damit soll ein Beitrag geleistet werden, um die ökonomische, soziale und umweltbedingte Verwundbarkeit (vulnerabilidad) der dortigen kleinbäuerlichen Bevölkerung zu reduzieren.

Es wurden Aktivitäten in folgenden Projektbereichen durchgeführt, die nachfolgend dargestellt werden:

  1. Stärkung der kleinbäuerlichen Kooperative in San Dionisio
  2. Implementierung eines revolvierenden Fonds für Kleinprojekte und Vermarktungsinitiativen
  3. Gendersensibilisierung und Aufbau eines PromotorInnennetzwerks
  4. Ernährungssicherheit unter den Auswirkungen des Klimawandels

5.Verbesserung der Brauchwasserversorgung

  1. Präventiver Katastrophenschutzes und Notfallversorgung
  2. Förderung von Jugendlichen (Beschäftigung und Umweltschutzerziehung)
  3. Gesundheitsprävention und Naturmedizin.

1. Stärkung der Kooperative

Das allgemeine Ziel ist, dass nach dem Ende der Projektlaufzeit die Kooperative die Nichtregierungsorganisation ODESAR als eigenständiger kleinbäuerlicher Akteur für lokal initiierte nachhaltige regionale Entwicklungsprozesse ersetzt und finanziell stabil ist.

Ausgangssituation war, dass es seit Ende 2011 eine offiziell registrierte und aktiv arbeitende Kooperative namens Javier Matus gibt, die jedoch auf die Unterstützung von ODESAR angewiesen ist. Die Kooperative hat aktuell 48 Mitglieder, davon die Mehrzahl Frauen. Die aktivsten unter ihnen sind diejenigen, die Leitungsfunktionen innehaben.

2015 hat ODESAR 38 Aktivitäten mit insgesamt 410 TeilnehmerInnen durchgeführt und begleitet, davon 223 Frauen (54%) und 187 Männer (46%) (hierbei gibt es natürlich teilweise Überschneidungen).

Dazu zählen:

  • 13 Arbeitssitzungen mit dem Verwaltungsrat,
  • 2 Mitgliederversammlungen,
  • 7 Workshops über Kooperativismus (Genossenschaftswesen),
  • 2 über interne Funktionsstrukturen,
  • 2 über Kredite,
  • eine Schulung über Buchhaltung sowie die Steuergesetzgebung,
  • eine über agrarökologische Produktion,
  • 9 Fortbildungen über Themen wie Marketing, Wirtschaftspläne und Unternehmensführung, Verarbeitung und Wertschöpfungsketten, Bienenhaltung, Nutzung traditioneller Saatgutsorten,
  • 7 Sitzungen mit dem agrarökologischen Netzwerk GPAE und der munizipalen Kommission für Ernährungssicherheit COMUSSAN,
  • sowie Erfahrungsaustauschtreffen mit landwirtschaftlichen Kooperativen in den Land-kreisen Muy Muy und Esquipulas im Departement Matagalpa.

Im ersten vollständigen Projektjahr ist die Kooperative mit dieser Hilfe von ODESAR in ihrer Autonomie vorangekommen: sie hat einen Verwaltungsrat gewählt (in dem 3 von 7 Mitgliedern Frauen sind), thematische Subkommissionen eingesetzt, die ordentlichen und außer-ordentlichen Mitgliederversammlungen durchgeführt, sich Arbeitspläne gegeben und führt diese durch. Sie verfasst monatliche, halbjährliche sowie Jahresberichte und nimmt an Fortbildungen zu diversen Themen teil.

Ihre Buchhaltung funktioniert inzwischen selbstständig ohne Unterstützung durch ODESAR und die Steuererklärungen an das Finanzministerium MEFCCA und die Steuerbehörde DGI werden rechtzeitig abgeliefert. Die Kooperative verwaltet eigenständig 2 Bankkonten.

Zudem ist die Kooperative mit anderen Kooperativen und Initiativen vernetzt auf Landkreis-, Departements- und nationaler Ebene und hat es z.B. geschafft, über diese Kanäle gemeinschaftlich günstig Inputs für den Mais- und Bohnenanbau einzukaufen, was das Vertrauen ihrer Mitglieder in die Kooperative gestärkt hat.

Es gibt 7 permanente ökonomische Initiativen, die dauerhaft Einnahmen für die Kooperative generieren: 4 Mühlen, zwei Verkaufskioske sowie eine Schleifmaschine für die Klingen der Maismühlen.

Aktuell diskutiert die Kooperative mit ODESAR über den klugen Einsatz der Mittel aus dem revolvierenden Fonds, der im vorigen Projekt eingerichtet wurde und demnächst von ODESAR an sie übergeben wird. Im Gespräch ist u.a. der von den Kooperativen-Mitgliedern gewünschte Erwerb eines Grundstücks zur gemeinschaftlichen Produktion, ein Teil des Fonds soll weiter als Kreditfonds für Produktions- und Vermarktungsinitiativen eingesetzt werden und mit einem übergebenen LKW soll die gemeinschaftliche Gemüse- und Obstvermarktung in größerem Stil angegangen  werden.

Damit die Kooperative sich weiter konsolidiert und bis zum Projektende vollständig autonom nach einem ausgearbeiteten Strategieplan arbeitet und ODESAR als „Motor der Gemeinde-entwicklung“ ersetzen kann, werden im laufenden Jahr 2016 sowie im dritten Projektjahr 2017wie vorgesehen weitere Begleitmaßnahmen durchgeführt.

2. Implementierung eines revolvierenden Fonds

Die Vergabe von Kleinkrediten aus dem Fonds hat vor allem die Förderung der Beschäftigung und die ökonomische Stärkung von Frauen und Jugendlichen zum Ziel. Ausgangslage war, dass es in den 5 neuen Projektgemeinden im Landkreis San Ramón keinerlei fördernde Maßnahmen der Beschäftigung und Einkommensschaffung für Frauen und Jugendliche gab.

Im ersten Projektjahr hat ODESAR wie geplant in San Ramón diesen revolvierenden Fonds zur Förderung produktiver Initiativen eingerichtet und hat vorbereitende organisatorische Schulungen mit den ProjektteilnehmerInnen durchgeführt, damit Kredite für wirtschaftliche Kleininitiativen vergeben und umgesetzt werden können.

Es ist anzumerken, dass die Statuten des Fonds (aufgestellt im Vorläuferprojekt in San Dionisio) bisher verlangen, dass die KreditnehmerInnen mindestens 3 Jahre organisiert sind und an vielfältigen Fortbildungen von ODESAR teilnehmen, damit gewährleistet ist, dass die Rückzahlungsquote der Kredite hoch ist.

Daher konnten hier 2015 noch keine Auszahlungen in San Ramón erfolgen. Es ist jedoch durch ODESAR beabsichtigt, diese Statuten zu ändern und durch kontinuierliche Schulungen und Begleitung der ProjektteilnehmerInnen in San Ramón zu ermöglichen, dass erste Kredite für ökonomische Initiativen bereits ab Mitte 2016 und im dritten Projektjahr 2017 ausgegeben werden können.

Gleichzeitig lief wie beabsichtigt im benachbarten Landkreis San Dionisio die Vergabe von Kleinkrediten aus dem Fonds weiter: 6 Frauen (darunter 2 Jugendliche unter 27 Jahre) erhielten darüber 2 Manzanas Land (ca. 1,4 ha) als Grundlagen für zukünftige Produktionsaktivitäten sowie 2 Frauen Kühe zum Aufbau einer Milchproduktion sowie Draht zur Einzäunung, um die Tiere adäquat halten und füttern zu können und deren Exkremente als Dünger aufzufangen.

3. Aufbau PromotorInnenetzwerk zu Genderfragen

In den 5 neuen Projektgemeinden in San Ramón gab es ursprünglich keinerlei Befassen mit der Genderproblematik.

Im Jahr 2015 wurden deshalb 10 Gender-PromotorInnen (6 Frauen/ 4 Männer) ausgewählt  und fortgebildet. Sie sind mit Unterstützung von ODESAR aktiv als MultiplikatorInnen in ihren Familien, in der Nachbarschaft und bei Gemeindeversammlungen und haben dort ihr neues Wissen in strukturierten Treffen und Gesprächen an (mindestens) 346 Personen weiter-gegeben und diese sensibilisiert.

ODESAR hat 2015 in San Ramón insgesamt 24 Aktivitäten zur Gender-Sensibilisierung durchgeführt:

  • 10 auf Gemeindeebene über Werte und menschliche Beziehungen,
  • 10 Sitzungen zur Planung und Evaluierung auf Gemeindeebene aus Genderperspektive (Teilnahme: 178 Frauen, 168 Männer),
  • sowie 4 auf Landkreis-Ebene.

Bei den 4 Workshops auf Land-Ebene (2 in San Dionisio, Teilnahme: 100 Frauen/44 Männer; sowie 2 in San Ramón, Teilnahme: 86 Frauen/53 Männer) waren die Themen gemeindliche Organisation und Führung, Ego und Machtbeziehungen, Entwicklung, Armut und Nachhaltigkeit.

Diese Gender-Workshops gestatten es den Gemeinden, über die Wichtigkeit zu reflektieren, die harmonische familiäre Beziehungen haben, damit in einem größeren Kontext auch die an-deren Projektaktivitäten erfolgreich und nachhaltig sein können.

4. Ernährungssicherheit durch Diversifizierung der Produktion

Ursprünglich gab es in den 5 Projektgemeinden in San Ramón ausschließlich Parzellen mit den Grundnahrungsmitteln Mais und Bohnen.

Um Ernährungssicherheit zu erlangen und die familiäre Ernährung vielfältiger, nährstoffhaltiger und vitaminreicher zu gestalten, sieht das Projekt die Diversifizierung der landwirtschaftlichen Parzellen der kleinbäuerlichen Familien vor.

Dazu gab es im Jahr 2015 folgende Aktivitäten:

  • 177 Familien haben mit der Diversifizierung ihrer Parzellen begonnen. Sie säen bzw. pflanzen infolge der Weiterbildungen und Begleitung durch ODESAR bis zu 30 verschiedene Arten von Obstbäumen, Bananenstauden, Knollenfrüchten, Gemüse sowie Medizinalpflanzen und wenden dabei Permakulturtechniken an,
  • alle kleinbäuerlichen ProjektteilnehmerInnen produzieren für den Eigenbedarf, und 17 (8 Männer, 9 Frauen) haben mit der kollektiv organisierten Vermarktung von Überschüssen auf Märkten sowie in individuellen Verkaufsposten begonnen,
  • 245 Familien haben durch die Begleitung von ODESAR ihre Fähigkeiten zur Führung ihrer Parzellen verbessert und Bewirtschaftungspläne für diese erarbeitet (105 in San Dionisio, 140 in San Ramón).

Darüber hinaus wurden auf Gemeindeebene Saatgutbanken eingerichtet (5 in San Ramón, 6 in San Dionisio) und den organisierten KleinbäuerInnen traditionelle Saatgutvarietäten zur Aus-saat von Bohnen und Mais übergeben.

Außerdem hat ODESAR die kommunale Bevölkerung organisatorisch geschult zur Einsetzung von Leitungsgremien (juntas directivas) zur Verwaltung ihrer gemeindebasierten Saatgutbanken.

5. Verbesserung der Brauchwasserversorgung

  • 63 Familien haben Wasserzugang erhalten durch den Bau von Reservoiren zur Regenwassergewinnung und -speicherung (33 in San Ramón, 30 in San Dionisio), wovon 21 der Familien Frauen vorstanden und 42 Männer. Diese Reservoire sind einfache ausgehobene Gruben, die mit großen verschweißten Plastikplanen ausgelegt wurden. Darin wird das Regenwasser für die landwirtschaftliche Produktion gesammelt.
  • Außerdem wurden 13 Wassertanks aus Plastik mit 2.500 Litern Fassungsvermögen (6 in San Dionisio, 7 in San Ramón) sowie 8 Mikrobewässerungssysteme installiert (2 in San Dionisio, 6 in San Ramón) angeschafft und installiert.

6. Präventiven Katastrophenschutzes und Notfallversorgung

Ausgangslage:

Obwohl die Bevölkerung in den Gemeinden an den steilen Berghängen in der Starkregenzeit durch Sturzbäche und Schlammlawinen bedroht ist und es in den letzten Jahren mehrfach nötig war, BewohnerInnen zu evakuieren, existieren zwar 2 COLUMED in den beiden Land-kreisen („Komitees für Prävention, Evakuierung und Notversorgung bei Naturkatastrophen“ auf Landkreisebene), die jedoch nicht einsatzfähig waren, da keine aktuellen Evakuierungs-pläne bestanden.

In den 24 Projektgemeinden existierten nur 5 COLUPRED („Komitees für Prävention, Evakuierung und Notversorgung bei Naturkatastrophen“ auf Gemeindeebene),  „auf dem Papier“, waren jedoch nicht arbeitsfähig.

Deshalb ist der Aufbau von effektiven Strukturen für den präventiven  Katastrophenschutz für die Gemeinde (COLUPRED) und den Landkreis (COLUMED) Ziel dieses Projekts.

Dafür wurden 2015 folgende Maßnahmen durchgeführt:

  • 6 Arbeitstreffen zur Restrukturierung der COMUPRED für beide Landkreise sowie die Erarbeitung ihrer Evakuierungspläne für den Notfall und die Ausarbeitung präventiver Umweltschutzpläne,
  • Simulation von Katastrophenfällen unter Beteiligung von 109 Frauen und 157 Männern, die nun als MultiplikatorInnen die Instruktionen für Notfälle kennen und diese in ihrer Nachbarschaft bekannt machen,
  • Aufbau und teilweise Reorganisationen von COLOPRED in allen beteiligten 24 Projekt-gemeinden, Erarbeitung von 24 Gemeindediagnostiken mit Gemeindeverantwortlichen zur Identifizierung der Risikogebiete als eine Bestandsaufnahme über die potenziell gefährdete Bevölkerung sowie Festlegen von Evakuierungsruten.

7. Jugendarbeit

Ein spezieller Bereich des Projekts ist die kulturelle Arbeit von/mit Jugendlichen. Im Zentrum steht dabei eine „entwicklungspolitische Theaterarbeit“, bei der sowohl  „Alltagsthemen“ der Jugendlichen (beispielsweise frühe Schwangerschaften, Drogenmissbrauch, Macho-Verhalten etc.) aufgegriffen werden als auch zu Umweltthemen sensibilisiert wird (z.B. Brandrodungen, Baumfällungen, traditionelle und Bio-Landwirtschaft, Flussverschmutzung etc.) oder Präventionsmaßnahmen gegen Naturkatastrophen und Auswirkungen des Klimawandels aufgezeigt und thematisiert werden.

Es gibt unter Anleitung eines „kulturellen Animateurs“ (der ODESAR- Projektverantwortliche für dieses Bereich) 6 organisierte Jugendgruppen (5 in den 5 Projektgemeinden von San Ramón, eine für den Landkreis San Dionisio), in denen 136 Jugendliche aktiv mitmachen. Sie unternehmen neben der Theaterarbeit eine Fülle von Aktivitäten in Arbeitsgruppen, wie traditionelle (indigene) Tänze sowie Musikkonzerte, aber auch Recycling für Gebrauchsgüter oder Schmuckherstellung und Musik durchführen. Bei kommunalen Festen sind sowohl die kulturellen Darbietungen als auch das Schmuck- und Gebrauchsgüterangebot inzwischen fester Bestandteil.

8. Gesundheitsprävention und Naturmedizin.

In den 5 neuen Projektgemeinden in San Ramón gab es bislang keinerlei Kenntnisse über Naturmedizin.

Inzwischen sind pro Gemeinde 15 Familien ausgewählt, die geschult werden im Anbau und der Verarbeitung und Nutzung von Medizinalpflanzen. Sie haben als „frischgebackene“  PromotorInnen für Naturmedizin (darunter 7 Jugendliche, davon 4 Mädchen, 3 Jungen) eine Bestandsaufnahme der lokalen Nutzpflanzenvielfalt vorgenommen und inzwischen in ihren Gemeinden bereits 367 Pflanzen identifiziert, die sich kurativ nutzen lassen.

Das Interesse ist hoch, da es sich um eine kostengünstige Variante zur teuren, wenig verfüg-baren konventionellen Medizin handelt. Es ist davon auszugehen, dass der informelle Multiplikationseffekt in der Nachbarschaft hoch ist.

Gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium MINSA hat ODESAR in allen 5 Gemeinden zudem die PromotorInnen offiziell „registriert“ und ihnen auch staatliche Gesundheitsfort-bildungen vermittelt, damit sie eine anerkannte Ausbildung erhalten.